Begegnung auf Augenhöhe
16.12.2024
Allgemein, Kultur & Brauchtum, Printmagazin "Anders g'schaut"
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Seit mehr als 400 Jahren prägen die Kapuziner das Stadtbild Salzburgs. Mit seiner Lage auf einem der Stadtberge ist das Kloster nicht nur ein spiritueller, sondern auch ein optischer Fixpunkt.
»Hier kommt man zur Ruhe, kann Kraft tanken und das pulsierende Leben der Stadt hinter sich lassen«, weiß Bruder Thomas. »Der Kapuzinerberg ist ein kleines Naherholungsgebiet für Einheimische«, ergänzt Bruder Stephan. Beide sitzen uns an einem Tisch im Refektorium, dem Speisesaal des Kapuzinerklosters, gegenüber und wir spüren, wie die Ruhe in uns einkehrt. Der uralte Fußboden aus den Anfängen des Klosters vermittelt auf eine fast unheimliche Art das »Verbunden-sein« mit dem Hier und Jetzt.
Die Stille gibt den Gedanken eine neue Richtung. Der Blick schweift über die unter uns liegende Stadt, die Stadtgrenzen hinaus und ermöglicht es, dieses Gefühl einfach zuzulassen und zu genießen. Angekommen bei uns selbst, lassen wir uns erzählen, wie es den Brüdern an diesem Ort ergeht, was sie empfinden und wie ihr Leben im Orden aussieht.
Die ersten Kapuziner waren Reform-Franziskaner, die im 16. Jahrhundert wieder die Einfachheit im Leben suchten. Dies machte sich unter anderem an der Habit, der Ordenstracht, bemerkbar: eine einfache, raue Kutte aus ungefärbter, brauner Schafwolle, die mit einer Kordel gebunden wurde sowie eine spitze Kapuze kennzeichneten die Gemeinschaft. »Eine Kordel – oder ein Strick, wie wir ihn nennen – deshalb, weil früher im Gürtel das Geld verwahrt und an ihm eine Waffe getragen wurde. All das hat Franz von Assisi, der Heilige Franziskus, auf dessen Werten unsere Gemeinschaft gründet, abgelehnt«, erklärt Bruder Stephan. Und Bruder Thomas ergänzt: »Die drei Knoten in unserer Kordel stehen für Armut, Gehorsam und ehelose Keuschheit. Das bedeutet aber für uns nicht, dass wir uns hinter den Klostermauern abschotten, sondern ganz im Gegenteil: Damals wie heute suchen wir den Kontakt zur Bevölkerung, betreiben Seelsorge und verstehen uns als Teil der Gesellschaft.«
Die Kapuzinerbrüder leben nach dem Prinzip der »vita mixta«: Sie verbinden das kontemplative Leben mit einem aktiven Leben inmitten der Gesellschaft. »Konkret bedeutet dies, dass sowohl die Stille, das Gebet und die intensive Gottesbeziehung Teil unseres Alltags sind – wie auch der Dienst mitten unter den Menschen: predigen, Hilfestellungen geben, Seelsorge leisten«, erklären die beiden Brüder. »Einige von uns gehen einem weltlichen Beruf nach: Bruder Hans zum Beispiel ist Lehrer, Bruder Michael Flüchtlingshelfer beim Österreichischen Roten Kreuz. Dort tritt er nicht als Bruder im Habit auf, sondern in der Dienstkleidung des Roten Kreuzes. Jemand muss ja das Geld verdienen«, meint Bruder Stephan lachend. Die Ordensgemeinschaft ist nämlich nicht nur eine Glaubens-, sondern auch eine Finanzgemeinschaft. Jegliches Geld, das verdient wird, kommt in einen gemeinsamen Topf, aus dem die Ausgaben der Gemeinschaft finanziert werden. Die Ordensbrüder führen ein Leben ohne große Besitztümer. Die im Kloster anfallenden Arbeiten werden zum großen Teil selbst übernommen: Reinigungsdienste, Gartenpflege, Holzhacken, kochen, genauso wie die Feier der Gottesdienste, seelsorgliche Gespräche oder das Abnehmen der Beichte.
Seit jeher sind die Brüder in ihrem Habit Teil des Salzburger Stadtbilds. Sie zeichnen sich durch ihre Nähe zur Bevölkerung aus und suchen den Kontakt zu den Menschen. »Wir bemerken schon, dass wir als Kapuziner einen großen Vertrauensvorschuss entgegengebracht bekommen«, stellt Bruder Stephan fest. »Woran das liegt, wissen wir nicht wirklich – wir sind froh, dass es so ist, wie es ist«, so Bruder Thomas. »Die meisten unserer Brüder bringen Lebenserfahrung und einen Beruf mit. Da viele erst spät in den Orden eintreten, hat jeder bereits außerhalb der Klostermauern viel erlebt. Ich zum Beispiel war jahrelang Krankenpfleger, bevor ich zu den Kapuzinern kam – das prägt mich, meine Ansichten und nicht zuletzt meinen Seelsorge-Stil.«
Apropos „Leben außerhalb der Klostermauern«: Wir wollen von Bruder Thomas wissen, wie sein Weg in den Orden verlief. »Grundsätzlich kann ich sagen, dass dieser ‚Ruf‘, wie ihn einige nennen, immer ein Stück weit ein Geheimnis bleibt – auch vor mir selbst. Ich bin zwar in einer katholischen Familie aufgewachsen, die Religion wurde aber nie wirklich gelebt. Ich erinnere mich, dass sich, als ich etwa 16 Jahre alt war, etwas veränderte: in mir, in meinen Gedanken. Das ging seitdem nie wieder weg.
Mit 30 Jahren dachte ich mir, das muss ich jetzt nochmal prüfen. Ich war schon jahrelang Krankenpfleger und das gerne und gut, aber dennoch. Bereits damals bin ich in Urlauben oft nach Assisi gefahren, habe mir Klöster angeschaut. Das hat mich einfach immer irgendwie fasziniert; ich spürte so eine Sehnsucht in mir. Als ich dann für mich entschied, ins Kloster zu gehen, waren die Reaktionen durchwegs positiv. Nach anfänglichem Erschrecken und ein paar Tränen unterstützten mich meine Eltern bei meinem Weg. Nach wie vor verspüre ich großen Respekt meinen Eltern gegenüber. Viele Freunde offenbarten mir, dass sie das schon lange geahnt haben«, lächelt er. Das größte Geschenk für ihn ist zurzeit, dass alle hier im Kloster so in Frieden miteinander leben können – bei allen Unterschiedlichkeiten. Und abends genießt er in seinem Zimmer die Privatsphäre und telefoniert auch gerne mit Freunden und der Familie.
Das Salzburger Kloster ist Ausbildungshaus für angehende Kapuziner-Brüder. Wie geht das, wenn ein junger Mann sich entscheidet, Kapuziner zu werden? »Entscheidend ist, dass ein Kandidat die Berufung zum geistlichen Leben verspürt«, erklärt Bruder Thomas. »Nach einer Phase des Kennenlernens und der Klärung bittet der Kandidat um Aufnahme in den Orden. Wenn die Verantwortlichen der Bewerbung zustimmen, beginnt für den angehenden Kapuziner die erste Stufe der Ordensausbildung: das Postulat. Dieses findet hier bei uns in Salzburg statt. Nach weiteren Ausbildungsstufen in Italien kommen die auszubildenden Brüder nach Salzburg zurück und verbringen hier die Zeit bis zur »Ewigen Profess«, die frühestens nach drei, spätestens nach neun Jahren abgelegt wird. Das Juniorat bietet Zeit für Studium und berufliche Aus- und Weiterbildung.«
Bruder Stephan erzählt uns: »Momentan haben wir zwei neue Brüder, beide Mitte 40. Nach der anfänglichen Begeisterung holt einen meist nach einigen Wochen die Routine ein. Dann hinterfragt man manche Abläufe und Entscheidungen. Dieses ‚Sich-aneinander-reiben‘ ist gut und notwendig. Jeder, der bislang für sich alleine gelebt hat und damit frei bestimmen konnte, was er tut und lässt, muss sich erst einmal darauf einstellen, sich in eine Gemeinschaft einzugliedern und Lebensvollzüge und Entscheidungen anzunehmen, die andere festgelegt haben. Es ist ein Prozess, hier seinen Platz zu finden und sich darauf einzulassen.«
»Im Leben ist es immer wichtig, einen Plan B zu haben und auf etwaige Holprigkeiten eingestellt zu sein. Das ist bei uns nicht anders. Während der gesamten Ausbildungsphase ist es uns sehr wichtig, dass der auszubildende Bruder gegebenenfalls eine Alternative hat. Wir fragen auch konkret danach«, ergänzt Bruder Thomas. »Sonst wären sie ja nicht frei, ihre Entscheidung für ein Leben im Kloster zu treffen.« »Und bei dir«, fragen wir Bruder Thomas, »wie sieht es da aus mit einem Plan B?« »Ich spüre, ich bin angekommen. Natürlich gibt es Höhen und Tiefen, aber ich weiß, hier bin ich richtig«, antwortet er.
Und mit »hier« ist die Brüdergemeinschaft der Kapuziner in der Nachfolge des Heiligen Franziskus gemeint. Konkret ist das zurzeit die Klostergemeinschaft in Salzburg auf dem Kapuzinerberg, der übrigens nach dem Kloster benannt wurde. »Früher hieß er Immenberg«, weiß Bruder Thomas.
»’Immen‘ ist ein altes Wort für Bienen und derer gab es anscheinend viele hier oben. Später wurde er zum Imberg – die Imbergstiege, die Imbergstraße bzw. die Imbergkirche sind heute noch Namenszeugen dieser Zeit. Irgendwann entstand aus der Bevölkerung heraus dann der Name Kapuzinerberg.«
Die Kapuziner gibt es in Salzburg seit 1594. Damals hat Erzbischof und Landesfürst Wolf Dietrich von Raitenau die Kapuziner nach Salzburg gerufen und ihnen auf dem Immenberg das Kloster erbauen lassen. Vorher stand an dieser Stelle das sogenannte ‚Trompeterschlössl‘, eine kleinere Burganlage, die aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammte und zu den Befestigungsanlagen der Stadt gehörte. »Der findige Baumeister nutzte geschickt viele Teile der vorhandenen Strukturen und Mauern der Burganlage, um sie zu erweitern und in ein Kloster umzubauen«, weiß Bruder Stephan zu berichten. So wurden die Außenmauern des Hauptwohnturms zum hinteren Teil der Kirche und der nordwestliche Wehrturm zum heutigen Chorraum und zur Sakristei der neuen Klosterkirche. »Das war insofern genial, als dass es damals wie heute schwierig war bzw. ist, Baumaterial auf den Berg zu karren«, wissen die beiden Brüder aus eigener Erfahrung, da Kloster und Kirche eben erst frisch renoviert wurden.
Auf Spendenbasis kannst du als Gast für einige Tage Teil der Hausgemeinschaft werden und das Klosterleben kennenlernen: mitarbeiten, miteinander beten, im Gespräch mit den Brüdern
sein – unabhängig davon, ob oder was du glaubst. Du bist stets herzlich willkommen!
Einfach per E-Mail »anklopfen«: salzburg@kapuziner.org
Autorin: Iris Walcher