Magische Nächte zwischen den Jahren

13.12.2024
Allgemein, Kultur & Brauchtum, Weihnachten & Advent

Die Zeit zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Jänner sind mystisch und geheimnisvoll. Die Raunächte bilden den Übergang vom alten ins neue Jahr und waren traditionell von großer Bedeutung. Es ist die Zeit des Innehaltens und des Ruhens, aber auch des Aberglaubens und Orakelns. Im Alpenraum, wo die Raunächte ihre Wurzeln haben, sind diese zudem untrennbar mit der symbolstarken Figur der Percht verbunden.

Ja, sie soll draußen umgehen in den frostig-kalten Raunächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag. Wenn sich die Dämmerung herabsenkt und in den Häusern die Lichter angehen, dann ist sie unterwegs: Die Percht mit ihrem Gefolge von unheimlichen Gestalten – der anderen Welt entsprungen. Man kennt sie auch als „wilde Jagd“, die noch heute im Advent rund um den Salzburger Untersberg mit Trommeln und Pfeifen nachgestellt wird. Der Percht bei ihren nächtlichen Umzügen zu begegnen, davon wird dringend abgeraten. Denn mit ihr ist nicht zu spaßen und wenn sich der eigene Blick mit dem ihrem kreuzt, ist das Augenlicht für immer verloren – so die Mär.

Die dunkelste Zeit des Jahres

Es sind schaurig schöne Geschichten, die sich um die Percht und die Raunächte ranken. Geschichten, die uns näher zusammenrücken lassen und den Wert der Gemeinschaft erhöhen. Die Raunächte waren in früheren Zeiten jene Nächte, in denen man sich drinnen in den bäuerlichen Stuben aufhielt, während draußen die Winterstürme an den Fensterläden rüttelten. Es ist die dunkelste Zeit des Jahres. Obwohl die Tage seit der Wintersonnenwende am 21. Dezember schon wieder länger werden, bemerken wir davon noch nicht viel. Lange vor Netflix & Co war das die Zeit, um sich Geschichten auszudenken und sich diese in den langen Abendstunden zuzuraunen. Vielleicht verdanken die Raunächte ihren Namen genau diesem „Raunen“, vielleicht aber auch nicht. So ganz sicher sind sich Historiker, Heimatforscher und Ethnologen nicht. Der Name könnte auch auf den „Rauch“ zurückgehen oder auf das Wort „rau“, das auf das mittelhochdeutsche „Rüch“ verweist, was wiederum so viel wie „haarig“ bedeutet. Womit wir wieder bei der Percht wären.

Frau Holle aus dem Märchen

Wer aber ist die Percht überhaupt? Die bayerische Autorin Luisa Francia schreibt über die mystische Gestalt: „Die Percht ist die alte Vegetations- und Muttergöttin des Alpenraums. Sie ist vor allem aber auch die wilde Hollermutter, Frau Holle aus dem Märchen.“ Die Percht ist eine mütterliche Figur, die wir von Kindesbeinen an kennen: Sie kann bestrafen, aber auch segnen. Wir erinnern uns: Frau Holle überschüttet im Märchen die Fleißige mit Gold, die Faule hingegen mit Pech. In unseren Breitengraden gilt die Percht als Beschützerin der alleinstehenden Frauen und so überrascht es nicht, dass die Raunächte mancherorts auch „Mütternächte“ genannt werden. Die Percht wacht über diese Zeit mit gestrengem Blick. So ist das Aufhängen von Wäsche während der Raunächte strengstens verboten: Leintücher würden sich – so der Aberglaube – im folgenden Jahr in Totentücher verwandeln.

Die Percht segnet das Haus

Ich selbst erinnere mich gut an meine Kindheit, in der sich meine Eltern für die letzte Raunacht von 5. auf 6. Jänner immer etwas ganz Besonderes einfallen ließen: Sie haben in der Nacht auf den Dreikönigstag den Frühstückstisch gedeckt und ihn gleichzeitig verwüstet. Wenn wir Schwestern am Morgen voll Ungeduld und ein wenig ängstlich in die Küche kamen, sahen wir es mit eigenen Augen: Die Percht war in der Nacht gekommen und hat das bereit gestellte Frühstück zu sich genommen. In ihrer ungestümen Art hat sie für ein ziemliches Chaos gesorgt: Eierschalen lagen auf der guten Tischdecke, Milch war verschüttet, das Besteck lag kreuz und quer und in der weichen Butter fanden wir immer ein langes Haar. Was meine Eltern uns veranschaulichen wollten, war der Besuch der Percht. Sie war gekommen, während wir schliefen. Und das war ein Segen! Ein Segen für das neue Jahr. Denn auch wenn die Percht beängstigend war, viel schlimmer wäre gewesen, wenn sie unser Haus gemieden hätte.

In den Raunächten wird „rauchen gegangen“

Während die Raunächte heutzutage weit über den Alpenraum hinaus eine wahre Renaissance erleben – die Buchhandlungen sind voll mit Büchern und Ratgebern –, werden sie im Salzburger Land und in den Bergen vielerorts noch sehr urtümlich begangen. Die wichtigsten der zwölf Raunächte sind die Heilige Nacht von 24. auf 25. Dezember, die Silvesternacht und die Nacht von 5. auf 6. Jänner. An diesen Abenden wird auch „rauchen gegangen“. Das passiert traditionell mit Weihrauch, heimischem Harz und getrockneten Kräutern auf glühender Kohle. Damit geht man durch das Haus, durch die Stallungen, in den Schuppen und gerne auch über den Hof oder durch den Garten. Im Pinzgau etwa ist es Brauch, in der letzten Nacht dreimal ums Haus zu gehen. Während des Rauchengehens wird auch mit Weihwasser gesprengt, Segenssprüche werden aufgesagt oder im Anschluss ein Rosenkranz gebetet. So vermischen sich durchaus heidnische Bräuche mit dem christlichen Glauben. Der Weihrauch etwa war viele Jahrtausende eine Opfergabe für Götter und eine heidnische Tradition. Und auch die Raunächte gehen auf vorchristliche Zeit zurück: Die Kelten kannten sie als „Freinächte“, die den Zeitunterschied zwischen dem Mond- und dem Sonnenjahr ausglichen.

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Orakel für das neue Jahr

Das Räuchern selbst ist ein wichtiges Ritual, das die Familie zusammenbringt – ein fehlendes Familienmitglied würde Unglück bringen. Es reinigt die Atmosphäre und bietet Raum für Wünsche. Der Rauch, der vom Weihrauchharz aufsteigt, verbindet die materielle mit der geistigen Welt. Studien belegen mittlerweile die Wirkung des Räucherns: Weihrauch etwa wirkt entzündungshemmend, beruhigend und desinfizierend. Hinzu kommen die unterschiedlichen Wirkungen der Kräuter: die Pflanzenwirkstoffe gelangen über die Atmung in den Körper. Echter Waldholder wirkt desinfizierend, Johanniskraut stimmungsaufhellend, Muskatellersalbei entspannend und Schafgarbe soll für gute Träume sorgen. Auf diese zu achten, ist für die Raunächte ohnehin ein guter Ratschlag, ebenso wie aufs Wetter. Der Tradition zufolge steht jede Raunacht für einen Monat im Folgejahr. Machen Sie sich doch einmal Notizen zu Ihren Träumen, zum Wetter oder anderen Ereignissen: Vielleicht stellt sich ja im Nachhinein heraus, dass es für Vieles, was im neuen Jahr passiert, schon während der Raunächte eindeutige Zeichen gab. Und wenn nicht, war es ein Heidenspaß.

Autorin: Franziska Lipp

Quellen:
Luisa Francia „Das magische Kochbuch“ Mary Hahn Verlag
Barbara und Hans Haider „Räuchern mit Kräutern und Harzen“, Servus Benevento Verlag
Franziska Lipp „Lieber Winter! Betrachtungen der kalten Jahreszeit“, Anton Pustet Verlag

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